Türkei
Wir reisen mit leichtem Gepäck: ein Rucksack für jeden plus Kameraausrüstung. Das Ziel: Türkei und das irakische Kurdistan. Mit Flugzeugen, Bussen und Mietwagen werden wir unterwegs sein. Izmir, Antalya, Side – ja, die gesamte Mittelmeerküste lassen wir links liegen. Wir wollen dahin, wohin sich die Touristen nicht wagen. Selbst die Türken winken abfällig mit der Hand, wenn wir von unseren Reiseplänen erzählen: „Was wollt ihr im Osten Anatoliens? Da gibt es doch nichts.“ Und genau das ist unser Ziel: einmal durch die ganze Türkei und Schwarzmeerküste statt Touristenhochburgen im Süden. Wir wollen uns einlassen auf ein Land, das unglaublich groß und reich an Kultur ist, das in Deutschland politisch kontrovers diskutiert wird. Wir wollen wissen, wie die Türkei wirklich ist, abseits von Klischees der Dönerbuden und der deutschen Berichterstattung.
Wo sonst sollte unsere Reise in die Türkei beginnen, wenn nicht in Istanbul, dieser Megacity am Bosporus. Wir reihen uns ein in die Scharen der Wochenendtouristen und türkischen Hauptstadtbesucher. Istanbul, lernen wir schnell, ist eine Stadt im ständigen Wandel, eine Stadt zwischen den Welten, eine Stadt, die alles und nichts ist. Die Seitenstraßen sind voller türkischer Teehäuser, der Finanzdistrikt ist so langweilig wie überall. Die Menschen sind modern und zukunftsgerichtet, gleichzeitig treffen wir die reaktionären und zutiefst gläubigen Türken. Wir bewegen uns zwischen den Kontinenten Europa und Asien, zwischen dem Morgen- und Abendland. Zwischen dem „Eigentlich-nicht-so-weit-weg“ und einer orientalisch anmutenden Ferne. Die wieder zur Moschee umgebaute Hagia Sophia. Gleichzeitig der gesenkte Blick und die leise Stimme, wenn es um Politik und religiösen Eifer geht. Wir sehen Kopftücher, billigen Tand und Tradition. Zugleich stolpern wir über eine selbstbewusste Jugend, Frauen, die gegen alles Konservative stolz zu ihrer Weiblichkeit stehen, und aufgeklärte Weitsicht. All das verwirbelt sich in Istanbul zu einem rhythmischen Puls, zu einem Takt, der das Leben der Stadt dirigiert.
Der Nachtbus bringt uns nach Ephesos, nicht allzu weit von der Urlaubsstadt Izmir gelegen. Gerädert und unausgeschlafen frühstücken wir am Busbahnhof, verstauen dort unsere Rucksäcke und machen uns zu Fuß auf den Weg zum rund 3 Kilometer entfernten Freilichtmuseum. Ein schmaler Pfad führt uns durch Orangen- und Zitronenhaine, entlang an von Kräutern bewachsenen Mauern und Apfelbäumen. Schon jetzt, am frühen Morgen, ist es weit über dreißig Grad heiß. Keine Wolke trübt den Himmel.
Das Theater von Ephesos gibt den Blick frei auf eine weitläufige Marschlandschaft. In der Antike lag hier direkt das Meer. Wir setzen uns auf die steinernen Stufen und stellen uns die Dramen und Wettkämpfe vor, die hier bei Sternenlicht und Fackelschein vor einer atemberaubenden Kulisse abgehalten wurden. Alles um uns herum ist unglaubliche Baukunst: die Celsus-Bibliothek oder die in Trümmer liegende Agora. Beinahe zweitausend Jahre Menschheitsgeschichte haben die Säulen Ephesos überstanden. Menschen zerfallen zu Staub, Stein bleibt für die Ewigkeit.
Eine weitere Busfahrt, diesmal am Nachmittag, Richtung Denizli. Wir haben ein kleines, unscheinbares Zimmer in der Innenstadt gemietet. Am Abend gibt es Pide mit frischem Gemüse und selbstgemachten Aufstrichen. Am nächsten Morgen nehmen wir den öffentlichen Bus nach Hierapolis. Die griechische Siedlung lag an den heißen Quellen von Pamukkale und war eine wichtige Handelsstadt. Das Odeon zeugt von der einstigen Größe und Bedeutung dieser Siedlung. Das alte Stadttor, die ehemalige gepflasterte Hauptstraße, Ruinen um Ruinen. Wir fühlen uns als Zeitreisende, sehen die Sklaven am Wegesrand schuften, die Aristokraten im Schatten der Zypressen stehen, die Märkte sind gefüllt mit Waren des Mittelmeeres.
Vom Plateau, auf dem Hierapolis liegt, führt ein breiter Weg durch die wassergefüllten Kalksteinterrassen von Pamukkale in den namensgebenden Ort hinab. Es sind vor allem Antalya-Urlauber, denen wir hier begegnen. Frauen im Bikini und mit von Sonnenmilch glänzender Haut liegen in den natürlichen Wasserbecken. Großbäuchige Männer mit sonnenverbrannten Schultern stolzieren auf dünnen Beinen durch die weiße Kalklandschaft. Kinder schreien und spielen Fangen. Überall weisen Warnschilder darauf hin, was alles verboten ist, um diese einmalige Landschaft zu bewahren. Die Hinweisschilder werden ignoriert, die Verbote übergangen. Sicherheitskräfte ermahnen, es nutzt alles nichts. Gerne hätten wir diesen Ort für uns alleine: das Odeon von Hierapolis, die warmen Thermalquellen mit fantastischer Aussicht. Zu viele Menschen ballen sich hier auf engem Raum.
Kurz vor Mitternacht – wir haben fast acht Stunden auf der Rückbank eines überbuchten Busses bei knapp vierzig Grad verbracht – lässt uns der Busfahrer an der Hauptstraße kurz vor Nevşehir aussteigen. Als wir Tickets nach Göreme gekauft hatten, hatte man uns nicht gesagt, dass der Bus eigentlich dort gar nicht halte. Nun hatten Fahrer und zwangsweise auch alle Mitreisenden einen Umweg genommen, nur um uns näher an unser Ziel zu bringen. Die Freundlichkeit und außerordentliche Hilfsbereitschaft der Türken begegnet uns überall im Land. Ein Taxi bringt uns von der Landstraße sicher in unser Hotel.
Am nächsten Morgen – gestärkt mit einem Frühstück – schlendern wir erst einmal durch den Ort. Reisebüros, Restaurants, Quadverleihe und Tourenanbieter. Doch Göreme ist kein normaler Ort: Er ist inmitten von phallisch anmutenden Bergen und Hügeln errichtet worden. Eine Vielzahl der Häuser ist sogar in den Stein gehauen, überall lassen sich Höhlen und ganze Hallen als unterirdische Städte entdecken. Kappadokien, so der Name dieser Naturlandschaft, zieht uns sofort in den Bann. Auf einsamen Pfaden verlassen wir den Ort zu Fuß und begeben uns hinein in eine zauberhafte Welt. Das Land ist hier zerrissen, von Tälern und scharfen Graten durchzogen. Kafkaeske Felsformationen, die im blauen Licht des Abends wie rituelle Stätten anmuten. Wir verlieren uns in den Höhlensystemen und durchwandern enge Schluchten. In der Ferne hören wir die Motoren von Geländewagen und ATVs.
Auf einem Felsplateau mit Blick über diese Mondlandschaft lassen wir die Sonne untergehen. Die Dämmerung ist nur kurz. In völliger Dunkelheit – geleitet von den Sternen – finden wir zurück nach Göreme.
Bevor die Sonne am nächsten Tag aufgeht, weckt uns ein sonderbares Zischen. Erst eines, dann werden es mehr. Verschlafen treten wir vor die Tür: Mit den ersten Sonnenstrahlen ist eine Armada von Heißluftballons gerade dabei, in den Himmel emporzusteigen. Von Minute zu Minute werden es mehr – der Himmel ist bald so voll, dass die Ballons immer wieder sanft gegeneinander stoßen. Umso heller es wird, umso mehr Schaulustige gesellen sich zu uns. Das bunte Treiben in der Luft verliert zunehmend an Magie. Die ersten Ballons sinken bereits zu Boden und das Spektakel endet genauso schnell wie es begonnen hat.
Wieder spuckt uns der Überlandbus aus. Diesmal wirft er uns mitten hinein in die fast sechs Millionen Einwohner Stadt Ankara. Die Sonne geht gerade auf und hundemüde steuern wir das erste Hotel an, das wir sehen. Für den halben Preis können wir schon jetzt ein Zimmer beziehen.
Am Mittag stürzen wir uns dann hinein in den Trubel. Während Istanbul eine quirlige, multikulturelle und aufregende Megacity war, ist Ankara die eher bodenständige und vernünftige Schwester. Die Fußgängerzone ist fast schon langweilig zu nennen, obgleich sie unheimlich überlaufen ist. Wir machen uns auf den Weg zur Anıtkabir, dem Mausoleum Atatürks. Soldaten in Paradeuniform ziehen die immer gleichen Bahnen, ihre Minen sind versteinerte Gesichter. Das Mausoleum selbst ist ein gigantischer Platz mit Grabdenkmal, Museum und Ausstellung. Von der seitlichen Befestigung haben wir einen kolossalen Ausblick über die Stadt. Nur leider gibt es nicht viel zu sehen. Viele Wohnhäuser, manchmal auch ein Wohn- oder Büroturm. Ein flaches Meer an Dächern.
Am Nachmittag, als es besonders heiß ist, schlendern wir durch den ausgedorrten Gençlik Park. Vorbei an einer riesigen Moschee und Straßenhändlern führt uns eine Gasse hinauf zur Zitadelle. Schwere Festungsmauern, Straßenmusiker und etwas Ruhe von den Menschenströmen der Innenstadt.
Wir erreichen die Stadt Diyarbakır mit dem Bus von Erbil kommend. Etwa zwanzig Stunden waren wir unterwegs. Es ist Nacht, glücklicherweise haben wir schon ein Hotel reserviert. Am nächsten Morgen erkunden wir die Innenstadt von Diyarbakır – das Auswärtige Amt warnt vor dieser Stadt. Sie ist mehrheitlich kurdisch, immer wieder kommt es hier zu Unruhen und militärischem Aufgebot. Doch an diesem strahlend-blauen Augusttag erscheint uns die Stadt friedlich und beschaulich.
Am Flughafen holen wir unseren Mietwagen ab, dann geht es Richtung Westen auf geraden, autoverlassenen Schnellstraßen durch Steppenlandschaften. Irgendwann gewinnen wir Höhenmeter und die Landschaft um uns herum wird steiniger, hügeliger und schließlich richtig bergig. Eine antike Brücke spannt sich über einen klaren Bergfluss, zahlreiche Familien genießen sein kühles Wasser: Männer und Kinder spielen im Fluss, die Ehefrauen sitzen auf Picknickdecken und bewachen das Essen auf dem Grill. Dies ist Anatolien, eine konservative Region. Auch wir werden immer wieder kritisch gemustert.
Wir fahren weiter und gelangen nach vielen Haarnadelkurven zum Nemrut Dağı. Ein Shuttle bringt uns an dessen Spitze auf über 2.000 Meter Höhe. Die Luft ist klar, am Horizont spannt sich ein orangefarbenes Band. Die Köpfe alter Götter liegen in Trümmern: Eine neue Religion sollte hier auferstehen, Unwetter, Erdbeben und Vandalismus haben die Statuen enthauptet. Dem Himmel so nah, doch machtlos gegen die Elemente. Die Sonne versinkt, Himmel und Erde werden eins. Die Venus steht über uns, die Nacht bricht herein. Näher könnten wir der Ewigkeit nicht kommen.
Nach einer weiteren Nacht in Diyarbakır fahren wir heute mit unserem Mietwagen zum Van-See. Es ist eine nette, ruhige Fahrt bis in den äußersten Osten des Landes. Wir halten in Tatvan, einer nicht unbedingt sehenswerten Stadt am Westufer des Sees, für ein Mittagessen. Wir folgen den südlichen Ausläufern des See bis nach Van, wo wir die Gegend erkunden. Die iranische Grenze ist nur etwa 60 Kilometer von hier entfernt. Bis nach Armenien und Syrien ist es ebenfalls nicht weit. Westliche Touristen sehen wir nicht, dafür umso mehr Menschen aus den umliegenden Ländern. Auch Geflüchtete und vermutlich auch illegale Einwanderer, die weiter nach Europa wollen.
Am Nachmittag laufen wir runter an den Strand des Sees. Ein großer, ungepflegter Park, lachende Familien, viel Trubel. Brautpaare machen im goldenen Spätnachmittaglicht Bilder, die wummernden Bässe der Hochzeitsfeier in einem nahegelegenen Festsaal übertönen jedes Gespräch. Zum Sonnenuntergang erklimmen wir ein Felsplateau, auf dem die Relikte einer alten Burg liegen. Wir haben den östlichsten Punkt unserer Reise erreicht, einmal die gesamte Türkei durchquert. Von nun an werden wir wieder Richtung Westen den Rückweg antreten.
Der Vansee liegt auf rund 1.650 Meter Höhe. Sanfte Berge umrahmen ihn, ein kühlender Wind bläst durch unser Haar. Ein altes Boot bringt uns zur kleinen Insel Akdamar, auf der eine alte, armenische Kirche und einige Ruinen stehen. Während des armenischen Völkermordes wurde dieser Ort zerstört und geplündert, heute ist er unter Türken ein beliebtes Ausflugsziel. Es gibt vieles, über das man hier nicht spricht – dunkle Geschichte des osmanischen Reiches zum Beispiel. Gerade hier im äußersten Osten Anatoliens.
Auf dem Weg zurück nach Diyarbakır stoppen wir für eine Toilettenpause an einer kleinen Raststätte. Gerade als wir wieder losfahren wollen, hält ein schwer gepanzertes Kettenfahrzeug neben uns. Soldaten mit großen Maschinengewehren steigen aus. Offenkundig wollen sie hier gleichfalls nur eine Rast einlegen. Zur Zeit unserer Reise ist der Osten der Türkei ein gefährliches Gebiet. Der Konflikt mit den Kurden ist aufgeflammt, der Putschversuch liegt nicht weit zurück, die Grenzregion zu Syrien ist brisant. Es gibt militärische Bombardements, Anschläge und eine hohe Militärpräsenz. Nachdem wir am nächsten Tag Diyarbakır verlassen haben, erfahren wir, dass just an diesem Tag Panzer und Soldaten in der Stadt einfielen, um Bürgerproteste niederzuschlagen.
Die ganze Türkei ist verreist. Wegen des Opferfestes sind alle Busse und Verbindungen ausgebucht. Da wir nichts vorab reserviert haben, hat dies immer wieder unsere Reisepläne durcheinandergebracht. Statt nun mit unserem Mietwagen an der Nordküste zurück nach Istanbul zu fahren, müssen wir diesen zurückgeben und fliegen wieder nach Ankara. Dort wartet ein anderes Mietauto auf uns.
Durch eine Berglandschaft mit dichtem Nadelholzbestand fahren wir Richtung Schwarzes Meer. Es ist eine fast schon deutsche Mittelgebirgskulisse, allerdings ohne Kuckucksuhren und Kirschtorte. In Samsun stoßen wir dann endlich auf Wasser – nach fast drei Wochen Reise durch die Türkei ist es unser erster Kontakt mit dem Meer. Zugleich ist es der erste Regentag mit dichter Bewölkung.
Kleine Orte reihen sich wie Perlen auf eine Kette. Die wenigsten sind sehenswert, Strände gibt es kaum. Wenn überhaupt, sind sie steinig und in einsamen Buchten gelegen. Wir lassen uns ein paar Tage treiben, essen fangfrischen Fisch in Strandrestaurants und erkunden all die kleinen Städtchen.
Die kleine Hafenstadt Amasra ist der letzte Punkt unserer Reiseroute. Enge Gassen und viele Fischrestaurants, Boote, die an Stegen müde im Auf und Ab der Wellen schaukeln. Möwen kreisen über den Dächern, die Luft schmeckt salzig. Eine typische Touristenstadt am Meer. Was Amasra besonders und fotogen macht, ist die kleine Insel, die eine steinerne Brücke mit dem Festland verbindet. Dazu zwei vom Meer abgewandte Buchen mit Sandstrand. Der perfekte Abschluss unserer Reise und Zeit, die vergangenen drei Wochen Revue passieren zu lassen.
Wie es so mit Klischees ist: Manche haben sich auf unserer Reise bestätigt, andere konnten wir fallen lassen. Die Türken haben sich uns von ihrer besten und einer unglaublich gastfreundlichen Seite gezeigt. Immer wieder ergaben sich schöne Gespräche zu völlig unerwarteten Zeitpunkten. Gefühlt alle Türken sprachen Deutsch und hatten in Deutschland für einige Zeit lang gelebt. Sprachbarrieren gab es nur selten. Die Landschaft konnte uns den Atem rauben, doch manchmal erstreckte sich über hunderte Kilometer eine ockerfarbene Steppenwüste.
Die Temperaturen sind gefallen, der Himmel grau bewölkt. Wir haben in Bursa, einer hügligen Industriestadt, übernachtet und unseren Mietwagen am Flughafen in Istanbul abgegeben.
Wer ein riesiges Land wie die Türkei bereist, wird auf Licht und Schatten stoßen. Nicht alles kann gefallen, nicht alles wird begeistern. Doch es sind die immer wiederkehrenden Highlights, die unseren Türkei-Roadtrip zu einem unserer schönsten Urlaube gemacht haben. Die fantastischen Felsformationen von Kappadokien werden wir niemals vergessen. Der in den schroffen Bergen gelegene Vansee und die raue Schwarzmeerküste, von ausländischen Touristen völlig ignoriert, waren einzigartige Einblicke in dieses facettenreiche Land. Die politische Zerrissenheit hält bis heute an, auch wenn sich die Sicherheitslage allgemein und insbesondere im Osten des Landes stark verbessert hat. Die Türkei wird uns nicht zum letzten Mal gesehen haben.
Infos zu unserer Reise
Es ist schade, dass sich der Türkeitourismus meistens auf Istanbul und die bekannten Urlaubsorte am Mittelmeer konzentriert. Auch das Landesinnere hat so einiges zu bieten. Aber zugegeben: Die Strände am Schwarzen Meer können nicht ansatzweise mit den Stränden im Süden mithalten, außerdem fehlt es an einer touristischen Infrastruktur. Auch der Osten des Landes ist vermutlich nur für wirkliche Geschichts- und Kulturfanatiker interessant. Unsere Highlights der Reise waren mit Abstand die mystische Felslandschaft von Kappadokien sowie der Berg Nemrut Dağı. Auch Ephesos ist einen Tagesausflug wert, Hierapolis aufgrund der vielen Touristen weniger. Was wir am Schwarzen Meer und im Osten Anatoliens total genossen haben: die Ruhe. Wir waren überall die einzigen Touristen – Türken fragten uns immer wieder voller Unverständnis, warum in aller Welt wir nicht in Side oder Antalya seien, sondern hier am steinigen Vansee.
Die Türken sind allgemein freundlich und hilfsbereit, ohne aufdringlich zu sein. Leider erlebten wir auch ein paar kleinere Flunkereien oder Betrugsmaschen. Wo wir auch hinkamen, immer sprach jemand Deutsch und so entstanden viele nette Unterhaltungen. In den letzten Jahren ist die Türkei wesentlich sicherer geworden, sodass ihr bedenkenlos das Land bereisen könnt. Die Infrastruktur ist gut ausgebaut, die Hotels allgemein sauber und die Preise immer noch vergleichsweise günstig – trotz der enormen Inflation der letzten Zeit. Für eine kleine Rundreise reichen gewiss zwei Wochen, für die große Runde durch das ganze Land sind drei bis vier Wochen angebracht.
Es ist immer noch möglich, günstigen Urlaub in der Türkei zu verbringen. Auch wenn die All-Inklusive-Angebote im Vergleich zur Zeit vor Corona und der enormen Inflation angezogen haben, gehört ein Strandurlaub in der Türkei immer noch zu einer der günstigsten Möglichkeiten, schnell in die Sonne zu kommen. Doch auch oder gerade der Rest des Landes lässt sich sehr einfach und mit kleinem Geldbeutel bereisen. Dazu könnt ihr einfach die überall verfügbaren öffentlichen Überlandbusse nutzen oder – wenn es komfortabler sein soll – einen ebenfalls nicht allzu teuren Mietwagen buchen. Für eine schöne Übernachtungsmöglichkeit solltet ihr ein paar Euro mehr ausgeben, Essen könnt ihr sehr billig, erhaltet dann aber oft auch eine entsprechende Qualität.
In der Türkei hat das Essen einen hohen Stellenwert, und Mahlzeiten werden oft im Kreise von Familie und Freunden genossen. Es ist üblich, dass man sich zu einem ausgiebigen Essen versammelt, das aus mehreren Gängen besteht. Die Mahlzeiten beginnen häufig mit Mezze, einer Auswahl an kleinen Vorspeisen, gefolgt von einem Hauptgericht und süßen Desserts. Typische Speisen dürften auch den meisten Deutschen aus den zahlreichen Dönerläden bekannt sein. Wir waren überrascht, dass es in der Türkei im Großen und Ganzen meistens auf genau die dort angebotenen Gerichte hinausläuft: Kebap, Pide, Börek. Als Nachtisch Baklava. Beliebt sind außerdem gefüllte Teigtaschen namens Manti und in den Küstenorten selbstverständlich Fisch. Immer und überall wird sehr süßer schwarzer Tee getrunken. Türkischen Kaffee fanden wir ungenießbar, es kommt aber wohl darauf an, wie man ihn trinkt.
In der Regel findet ihr überall ganz nette Hotelzimmer. Macht nicht den gleichen Fehler wie wir und entscheidet euch nicht für die Billigsten. In Istanbul hatten wir das dreckigste Zimmer unseres Lebens. Darin haben wir es immerhin zehn Minuten ausgehalten, bevor wir getürmt sind. Anschließend machten wir die Erfahrung, dass es für ein paar Euro mehr gleich richtig nette Hotels gibt. Im Osten des Landes sind der Stil und die Inneneinrichtung schon nahöstlicher – also viel Teppiche, viel Glitzer, Pfeile, die Richtung Mekka weisen, und ein Gebetsteppich in jedem Zimmer.
Immer mal wieder gibt es Anschläge in der Türkei. Diese können sich gegen Zivilisten richten (wie so oft in Istanbul geschehen) oder gegen staatliche oder militärische Einrichtungen. Oft ist der Konflikt der Türkei mit der PKK Auslöser. Während wir 2019 durch die Türkei reisten, galten die Provinzen um den Vansee als risikoreich, heute hat sich die Sicherheitslage erheblich verbessert. Meiden solltet ihr eigentlich nur die unmittelbaren Grenzgebiete zu Syrien und dem Irak. Ansonsten nehmt euch in Acht vor kleineren Betrugsmaschen. Essenziell bedeutsam ist es, am besten nicht über Politik und Religion zu sprechen und religiösen Stätten – ob christlich oder muslimisch – respektvoll gegenüberzutreten.
Auch wenn wir damals ohne unseren kleinen Mann in der Türkei unterwegs waren, schätzen wir das Land als sehr kinderfreundlich ein. Bei Reisen mit Kindern gilt natürlich, die Wege möglichst kurzzuhalten. Konzentriert euch also auf eine bestimmte Region des Landes, bspw. den Südwesten inklusive Istanbul, sodass ihr eine ausgewogene Mischung aus Kultur und Badeurlaub habt.
Was eine familienfreundliche Infrastruktur angeht (öffentliche Toiletten, Wickelräume, überall verfügbare Windeln etc.) solltet ihr gerade in den östlichen Provinzen keine allzu hohen Ansprüche und Erwartungen haben.
Die Türkei ist mehr als doppelt so groß als Deutschland, zum Glück könnt ihr dort ziemlich günstig von A nach B reisen. Die erste Wahl für uns waren damals Überlandbusse, die auch von den Türken selbst sehr gerne und häufig genutzt werden. Damit kommt ihr eigentlich in jede größere Stadt und zahl nicht viel. Wenn ihr in den Osten des Landes reisen möchtet, könnt ihr dies auch mit der Eisenbahn tun – es gibt eine Zugverbindung von Istanbul über Ankara bis nach Van (dabei geht es mit der Fähre über den Vansee)! Sicherlich eine einmalige Erfahrung.
Auch das Mieten eines Autos ist in der Türkei eine kostengünstige Option, die euch flexibel macht. Überall sind die Hauptstraßen sehr gut ausgebaut und in der Regel auch nicht allzu stark frequentiert (zumindest dort, wo wir waren). In Istanbul hingegen herrscht das reinste Verkehrschaos, deswegen haben wir unseren Mietwagen nicht dort direkt abgegeben, sondern am Flughafen. Es gibt sehr regelmäßige Busverbindungen vom Flughafen in die Innenstadt.
Es gibt unheimlich viele Bücher über die Türkei und auch die türkische Literatur ist immens.
- Wie gewohnt wird in der C. H. Beck Ausgabe Geschichte der Türkei: Von Atatürk bis zur Gegenwart die Gesamtgeschichte des Landes von Klaus Kreiser auf sehr wenigen Seite komprimiert dargestellt
- M. Sükrü Hanioglu beschäftigt sich in Atatürk: Visionär einer modernen Türkei intensiv mit dem Staatsgründer der Republik
- Einen sehr detaillierten Einblick in die Türkei des letzten und dieses Jahrhunderts werdet ihr in Türkei verstehen: Von Atatürk bis Erdogan von Gerhard Schweizer finden