Taiwan

Kaum ein Land ist so politisch umstritten, so kontrovers und so umkämpft wie die Insel Taiwan. Ein unaufgeregtes, hochmodernes und aufgeschlossenes Fleckchen Erde, das nur wenige Touristen anzieht, aber unter Kennern als einer der lebenswertesten Orte in Asien gilt. Taiwan ist nicht nur das Taipei 101 und ein „irgendwie“ chinesisches Land in Ostasien. Es ist ein wahrer Schatz an Kultur, Fortschritt, Zukunftsglauben, Natur, Kulinarik und Tradition. Ein Land in ständiger Alarmbereitschaft, in dem die Städte von Bunkern unterbaut sind, dessen Himmel Militärflugzeuge kreuzen. Und zugleich einer der sichersten Orte, die man nur finden kann. 

Liberty Square Arch Taipei

Der Zug bringt uns vom Flughafen ins Zentrum von Taipei. Vorbei an grün überwucherten Hügelketten, Gewerbegebieten und langweiligen Vororten, schon werden wir mitten hineingeworfen in diese asiatische Stadt, die so sauber und aufgeräumt wirkt. Doch nicht allein Taipei empfängt uns, sondern gleich auch die große Geopolitik und Landesgeschichte. 

Nach dem Check-in im Hotel genießen wir das Treiben im nahegelegenen „228 Peace Memorial Park“, einem der geschichtsträchtigsten Orte in der Stadt, von dem maßgeblich die Demokratisierung des Landes ausging. In einem selbstgebauten Verschlag hat sich die Künstlerin Panai Kusui verbarrikadiert. Es ist eine Protestaktion für die Rückgabe von illegal beschlagnahmtem Land der indigenen Bevölkerung durch die Regierung. An unserem letzten Tag in Taipei wird sie ihr Camp verlassen haben – mit Antritt der neuen Regierung endete ihre Aktion. 

Während eine Formation von Militärjets über den Himmel braust, folgen wir den Klängen von archaischer Rockmusik. Am Presidential Office Building ist eine Bühne errichtet worden. Bands und Kameraleute proben den großen Auftritt nach dem Wochenende: Lai Ching-te wird das Amt des Präsidenten annehmen. Die Welt blickt auf diesen Tag – Festlandchina rasselt mit Säbeln und zeigt scharfe Zähne.

Panai Kusui's Battle For Land Rights
228 Peace Memorial Park Taipei
Presidential Office Building Taipei
Presidential Office Building Taipei
Presidential Office Building Taipei

Diese Hauptstadt gefällt, wo sie nur kann. Motorroller schwemmen nicht die Straßen wie in Bangkok oder Hanoi, sondern fahren auf ausgewiesenen Spuren – geordnet und geregelt. Die öffentlichen Toiletten sind sauber und kostenlos. Es gibt gut ausgestattete Wickelräume, großartige Spiel- und Sportplätze. Überhaupt nahezu keinen Müll auf den Straßen. Die Gesellschaft ist offen: 2019 legalisierte Taiwan als erstes asiatisches Land die Ehe von Homosexuellen. Das Bildungssystem ist hervorragend, es existiert eine exzellente Gesundheitsversorgung und nahezu keine Kriminalität.

Es fällt schwer, Taipei in die Liste der von uns bereits besuchten Städte Asiens einzuordnen. Die Esskultur erinnert an Bangkok. Das allgemeine Setting an Hongkong. Der Zustand der Stadt an Singapur. Taipei ist schlichtweg einzigartig und vereint für uns das Schönste Asiens.

Scooter Helmet Shop in Taipei
Hello Kitty Scooter
Dalongdong Baoan Temple in Taipei
At Ximending in Taipei
Taipei Street

Die Tempel überraschen uns mit ihrer allumfassenden Willkommenskultur. Es gibt keine Kleiderordnung, keine Verbote. Die Luft ist erfüllt vom Rauch der Räucherstäbchen und dem Verbrennen von Geistergeld. Früchte, Kekse und Blumen werden den Göttern dargereicht. Drachen und Tiger wachen über die Irdischen. Wie so oft in Asien verschwimmen die Grenzen der Spiritualität: Buddhismus, Animismus, Hinduismus und Taoismus existieren im friedlichen Nebeneinander, vermischen sich und werden eins.

Besonders gut gefällt uns der Dalongdong Baoan Temple im Norden Taipeis. Nicht viele Besucher sind an diesem Sonntagmittag hier. Der Tempel liegt in der Einflugschneise des Stadtflughafens. Regelmäßig fliegt eine landende Maschine über unsere Köpfe hinweg. Trotz allem herrscht eine besinnliche und angenehme Atmosphäre. Wir setzen uns auf ein Podest und beobachten die betenden und ratsuchenden Gläubigen.

Dalongdong Baoan Temple in Taipei
Dalongdong Baoan Temple in Taipei
Taiwan Provincial City God Temple Taipei
Dalongdong Baoan Temple in Taipei
Longshan-Tempel in Taipei

Der Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten ist gekommen. Die Straßen der Hauptstadt sind gefüllt mit Menschen – aus dem ganzen Land sind sie in großen Reisebussen gekommen. Kolonnen von schwarzen Limousinen und Polizeifahrzeugen bahnen sich ihren Weg durch das Treiben. Musik dringt aus den Lautsprechern, Hubschrauber und Kampfjets malen die Farben der taiwanesischen Flagge in die Luft oder ziehen gigantische Fahnen hinter sich her. Militärtransporter und Wasserwerfer. Taiwan zeigt sich wehrhaft.

Ein haushohes Regenpferd mit bunter Mähne rollt über den Asphalt. Als Nahrungsmittel verkleidete Menschen, Breakdance und Schulbands. Die Regierung möchte jung, modern, vielfältig sein. Das Land will sich in eine selbstbestimmte Zukunft stürzen, wachsen und gedeihen.

Taiwan's Presidential Inauguration 2024
Taiwan's Presidential Inauguration 2024
Taiwan's Presidential Inauguration 2024
Taiwan's Presidential Inauguration 2024

Am Horizont liegen Berge, wolkenverhangen. Autobahnen und der Tamsui-Fluss durchschneiden die Stadt. Mit dem Untergehen der Sonne fällt erst goldenes Licht auf die Häuser, bevor alles in dunkles Blau getaucht wird.

Vom Taipei 101 aus betrachtet, einst höchster Wolkenkratzer der Erde, sind wir mitten in Taipei und der Stadt zugleich so weit entfernt. Die fahrenden Autos unter uns, die Menschen, auf die Größe von Flöhen geschrumpft, und die kleinen Gebäude – all das ist ein Miniaturwunderland. Es begeistert für einen Augenblick, dann holt uns die Illusion ein. 

View From Taipei 101
Taipei 101
View From Taipei 101
Taipei 101
View From Taipei 101

Ein anderer Blickwinkel – eine andere Stadt? Das Panorama vom Elephant Hill müssen wir uns erkämpfen. Ein kurzer, aber steiler Treppenaufstieg führt den überwucherten Hügel am Rand von Taipei hinauf. Auf der Aussichtsplattform drängen sich Menschen, die ihren Smartphonebildschirmen mehr Aufmerksamkeit schenken als der beeindruckenden Skyline. Golden glänzt diese Stadt in der einbrechenden Dunkelheit. Ein schwarzer, düsterer Wolkenkratzer – noch nicht zu Ende gebaut – erhebt sich neben all den anderen bunten und leuchtenden Hochhäusern. Wären da nicht die zahlreichen Mücken, könnten wir Taipei von hier stundenlang bestaunen.

Skyline of Taipei
Skyline of Taipei
Taipei 101

Wie geht ein Land mit seiner Vergangenheit um, wenn es einer Diktatur entwachsen ist? Es kann sie glorifizieren, sie in Museen und Geschichtsbüchern aufarbeiten oder es löscht die Vergangenheit nach und nach aus. Chiang Kai-Shek gründete einst Taiwan und regierte die Jahre bis zu seinem Tod mit eisernem Regime. Der Flughafen, Banknoten, Statuen, Straßennamen und die Chiang Kai-Shek Gedächtnishalle – also alles, was an den einstigen Diktator erinnerte – wurde umbenannt oder beseitigt. 

Ein großer, leerer Platz inmitten der Hauptstadt trägt heute den Namen Liberty Square. Abends drehen hier Läufer ihre Runden und Jugendliche treffen sich in den gut ausgeleuchteten Gängen der Nebengebäude, um zu ihrer Musik zu tanzen. Ein historischer Ort in der ständigen Zerreißprobe von Machtpolitik und Symbolik.

Liberty Square Arch Taipei
National Concert Hall Taipei
Chiang Kai-Shek Memorial Library

Der hell beleuchtete Treppenaufstieg des Nationaltheaters. Eine verspiegelte U-Bahn-Passage. Die regenbogenfarbene Fußgängerüberquerung. Nachts werden all diese öffentlichen Räume zu Bühnen einer mutigen Jugend, die sich der Gesellschaft auf ihre Weise entgegenstellt. Sie will nicht zerstören, sondern auf dem bereits Geschaffenen aufbauen. Nahezu perfekt bewegen sich die Körper der jungen Erwachsenen zu den harten Beats aus den kleinen Boxen. Mit unerschöpflicher Detailversessenheit nähen sie Kostüme und tragen Make-up auf. Mit sturem Eifer treten sie ein für eine offenere, friedvolle Welt.

Das nächtliche Taipei lädt ein, gemeinsam mit seiner Jugend von der Zukunft zu träumen und dabei die Realität auszublenden.

Girls Prepare Themselves for Dancing in Taipei Main Station
Teenagers Dancing At National Theater Hall Taipei
People Play Basketball in Taipei
LGBTQ-Performance

Am späten Nachmittag werden so manche Straßen gesperrt. Shops werden errichtet, Gasflaschen angeschlossen, Früchte und Fleisch mit Eis gekühlt, bis die ersten Gäste kommen. Es dampft aus großen Töpfen, Fett spritzt aus den Woks, Grillkohlen knistern. In der Luft hängen in den Augen beißender Rauch und der Geruch von vielerlei Speisen. Die Nachtmärkte in ganz Taiwan sind gut besucht und die beste Anlaufstelle, um möglichst viel für wenig Geld zu probieren. Hier zeigt sich das Land erneut in seiner ganzen Offenheit – neben taiwanesischen und chinesischen Delikatessen gibt es italienisch, griechisch und selbst deutsch angehauchte Speisen. Nicht umsonst gilt die taiwanesische Küche als die beste und experimentierfreudigste der Welt.

Ningxia Night Market in Taipei
Fruit Shop in Taipei
Taiwanese Steam Dumplings

Endlich fahren wir raus aus Taipei. Endlich nicht deswegen, weil wir genug von dieser Großstadt haben, sondern weil sie uns Lust gemacht hat, noch mehr von Taiwan zu entdecken.

Wir fahren durch die grüne Berglandschaft, die Taipei umrahmt, über Hochautobahnen und durch lange Tunnel. Umso näher wir dem Taroko Nationalpark kommen, umso sichtbarere werden die Zerstörungen des Erdbebens, das Hualien im April 2024 traf. Der Park mit seinen wunderschönen Schluchten und Canyons ist auf unbestimmte Zeit gesperrt. So lassen wir unsere Drohne steigen: Wir sehen einen kristallblauen Fluss, der sich durch hartes Gestein gräbt. Eine Straße, die sich in engen Kurven dicht an den Berg schmiegt. Grünen, undurchdringlichen Wald. Zu gerne wären wir durch die Schluchten des Taroko Nationalparks gewandert. Nun haben wir einen Grund mehr, Taiwan noch einmal zu bereisen.

River in Taroko National Park
Chinese Gate in Taroko National Park
River in Taroko National Park

Im Mai beginnt die Regenzeit in Taiwan. Sonnige Stunden wechseln sich mit regenreichen ab. Am Nachmittag unserer Ankunft zeigt sich Hualien wolkenverhangen, kurz darauf prasselt es herab. Am nächsten Tag erkunden wir die Stadt bei bestem Wetter.

Der Strand ist steinig und karg, der Lebensmittelmarkt zur Mittagszeit schon fast verlassen. Ein Hund wartet müde gähnend auf ein paar Brocken Fleischabfälle. Glückskatzen winken uns aus Schaufenstern und von beinahe jedem Tresen zu. Während die Werbeschilder der Stadt am Vorabend in der nassen Dunkelheit leuchteten und blinkten, damit unsere Sinne überforderten, wirken die Straßen bei Tageslicht verschlafen. Die meisten Geschäfte haben geschlossen. Wo auch immer die Bewohner Hualiens sind – nur wenige zeigen sich.

At the Sea in Hualien
Jet in Hualien
Green Lucky Cat
Market in Hualien
Market in Hualien

Kurz vor Taitung liegt die Sanxiantai-Brücke, die in acht Bögen das Festland mit einer kleinen, vorgelagerten Insel verbindet. Es ist ein diesiger Nachmittag. Eben erst zog ein Unwetter über uns hinweg und ständig droht ein weiteres. Es sind so gut wie keine anderen Besucher hier. Es ist schwül und tropenwarm, dennoch fühlen wir uns an Irlands grünen Norden erinnert. Der Kieselstrand, der raue Fels, das Salz in der Luft. 

Einem Steg folgend erreichen wir die Inselmitte und damit das Ende des befestigten Weges. Ein schmaler Pfad – so aufgeweicht und unterspült vom Regen, dass wir ihn nicht gehen wollen – führt um einen Berg herum zu einem alten Leuchtturm. Stattdessen erklimmen wir einen Felsen und haben von dort einen magischen Ausblick auf dieses wunderschöne Stück Erde. Dieses Idyll entschädigt für das verregnete Hualien und den gesperrten Taroko National Park.

Sanxiantai Arch Bridge, Taiwan
Sanxiantai Arch Bridge, Taiwan
Sanxiantai Arch Bridge, Taiwan
Sanxiantai Arch Bridge, Taiwan
Sanxiantai Arch Bridge, Taiwan
Sanxiantai Arch Bridge, Taiwan
Sanxiantai Arch Bridge, Taiwan

Eine andere Stadt, ein weiterer Strand. Zwischen rund gespülten Steinen wachsen zart blühende Bodenpflanzen. Ein offroadtauglicher Mitsubishi-Kleinbus steht am Ufer. Wir sehen diese Fahrzeuge im ganzen Land, sie sind der Golf unter den Geländewagen. Ein Angler hat seine Ruten ausgeworfen, in einem Plastikeimer hat er seine Lebendköder. Festlandchina hält ein großes Manöver ab. Die taiwanesische Luftwaffe ist in Alarmbereitschaft. Ein gigantischer Bomber braust nur wenige hunderte Meter hoch über Taitung hinweg. Kampfjets starten und landen im Minutentakt. Die Menschen am Strand, die Menschen in der Stadt – sie lassen sich dadurch nicht stören. Sie glauben nicht an einen bevorstehenden Krieg. Ist es naiv, optimistisch oder die Lehre aus Jahrzehnten friedlicher Vergangenheit?

Taitung City Beach
Taitung City Beach
Taitung City Beach

Wir erreichen den tropischen Süden Taiwans. Im Kenting National Park treffen üppige Natur und Sandstrände auf Horden von Touristen. Gestylte, junge Erwachsene präsentieren ihre Luxuswagen auf der engen Beachroad zwischen Besucherströmen und den heiß qualmenden Ständen am Nachtmarkt. Sonnencreme und Banana-Boats, Schirme und Liegen. Ein kaltes Bier, Eiswürfel im Cocktail. Wir lassen all das zurück und fahren ins Hinterland. In einem großangelegten Park fotografieren wir wildlebende Affen, Schmetterlinge und Eidechsen. Eine kurze Autofahrt führt uns aus diesem dichten Waldgebiet in eine karge Steppenlandschaft. Eine Herde von Wasserbüffeln grast hier. Die Aussicht von einem sanften Hügel ist idyllisch: das Meer im Hintergrund, kleine Siedlungen im Tal. Ein einsamer Berg, ein alter Wald. 

Wer der Hauptstraße entlang des Meeres folgt, erreicht einen kleinen Leuchtturm, nach einem kurzen Fußmarsch schließlich Taiwans südlichsten Punkt. Ein steinernes Monument – keine zweihundert Kilometer von hier liegen die ersten Inseln der Philippinen. 

Kenting National Forest Recreation Area
Southernmost Point of Taiwan
Eluanbi Lighthouse in Kenting
Water Buffalos in Kenting

Umso näher wir der Millionen-Metropole Kaohsiung kommen, umso industrieller wird die Landschaft. Während wir die Ostküste als provinziell, beschaulich und naturnah wahrgenommen haben, erleiden wir nun einen Kulturschock. Superhighways, Staus, Hochhäuser. Unser Hotel liegt in einer schmuddeligen Gegend. Der nächste Morgen empfängt uns dazu noch mit Regenschauern. Im 7-Eleven versorgen wir uns mit Schirmen und Regenponchos – Taiwan im Mai ist ein Pendeln zwischen Sonnenschein und Unwetter.

Der Lotussee ist umsäumt von Hochhäusern im Osten, Tempeln und Altstadtvierteln im Westen. Drachen und Tiger wachen über den See. Aus den Eingangspforten der heiligen Stätten entweicht Rauch, die Luft am See ist erfüllt vom schweren Geruch der Räucherstäbchen und süßen Blüten. Alte Frauen sitzen an ihren Marktständen und verkaufen Obst und Talismane. Aus Lautsprechern dringt der Gesang einer Karaokesängerin – ein traditionelles Lied aus Taiwan. Wenige Passanten drehen die Köpfe, um zu lauschen.

Old City in Kaohsiung
Old City Gate in Kaohsiung
Lotus Pond in Kaohsiung
Lotus Pond in Kaohsiung
Chi Ming Tang Temple in Kaohsiung
Chiji Temple in Kaohsiung

Der Regen wird heftiger. Wir suchen Unterschlupf in einem Torbogen des Konfuziustempels. Als wir merken, dass der Regen in absehbarer Zeit nicht nachlassen wird, rennen wir zum Bus, der uns zurück in die Innenstadt fährt. Einen heißen Kaffee später ist der Regen zu einem sanften Nieseln abgeschwächt.

Kaohsiung ist eine Stadt der Gegensätze. Hochhäuser und schäbige Bauten wechseln sich ab. Moderne, ja fast schon hippe Läden stehen neben Altstadtvierteln mit Tempeln und traditionellen Geschäften. Kaohsiung ist nicht Taipei und hat auch nichts mit den beschaulichen Großstädten an der Ostküste zu tun, die wir bereits kennengelernt haben. Kaohsiung ist quirliger, verlebter, rauer, echter und voller Gegensätze.

Kaohsiung City Temple of Confucius
Kaohsiung
Basketball Game in Kaohsiung

Über einen schmalen Zugang im Westen der Stadt ist der Hafen für Schiffe zugänglich. Auf dem Festland in Sizihwan thront das ehemalige britische Konsulat, ihm gegenüber auf einer Insel der historische Leuchtturm. Vor der Küste ankern Kriegsschiffe. Kleine Boote und Frachter gleiten vom offenen Meer in den sicheren Hafen oder kehren ins Meer zurück. Ein stilles Treiben. Am Ufer des Hafens stehen verrottete Lagerhäuser und solche, die renoviert wurden und sich nun als modernisierte Glas-Stahl-Gebäude ans Wasser schmiegen. Schicke Cafés und Boutiquen. Wandmalereien und Industriearchitektur. Einer der Seitenkanäle wird von bunten Lichtern beschienen. Das Kaohsiung Music Center pulsiert im Rhythmus der Musik, die aus Lautsprechern schallt. 

Kaohsiung Lighthouse
Street Art in Kaohsiung
Harbor Skyline Kaohsiung
Harbor in Kaohsiung
Harbor Skyline Kaohsiung
Great Harbor Bridge Kaohsiung

Wir verlassen die Metropolregion von Kaohsiung und fahren ins Hinterland. An einem Highway gelegen, erreichen wir das Fo Guang Shan Buddha Museum. Ein recht seltsamer Ort: Eine riesige Buddhastatue erhebt sich über heiligen Reliquien. Acht Türme, den edlen achtfachen Pfad symbolisierend, stehen am Rande eines freizügigen Geländes. Nonnen warten im Schatten der Gebäude auf die Fragen der Besucher. In einer klimatisierten Empfangshalle gibt es vegetarische Restaurants und Souvenirshops, Cafés und Sonderangebote. Kapitalismus und Buddhismus müssen keine Gegensätze sein. Im Zentrum des Areals ist alles auf Pomp und Staunen ausgerichtet. Farbig beleuchtete Kunstinstallationen, Hallen erfüllt von sphärischen Klängen, nackte Füße auf dem Teakholzboden. Religion funktioniert nur, wenn sie groß daherkommt.

Wir wollen noch einmal so richtig in die Natur. Also folgen wir immer schmaleren Straßen, die sich in die Berge hinauf schlängeln. Dicke Regenwolken hängen dicht über unseren Köpfen. Ein saphirblauer Fluss bahnt sich seinen Weg durch ein Tal. Eine Hängebrücke spannt sich darüber. In den hohen Bergen Taiwans gibt es solche Brücken in großer Anzahl. Unsere Drohne zeichnet ein atemberaubendes Video auf. Die ersten Regentropfen fallen und wir eilen zurück zum Auto. Nebel wallt über die Bergrücken und Wehmut ergreift uns. Bald werden wir Abschied von Taiwan nehmen müssen. Dabei haben wir so vieles nicht gesehen. Doch schon jetzt haben wir dieses mystische Land lieben gelernt.

Fo Guang Shan Buddha Museum
Fo Guang Shan Buddha Museum
Fo Guang Shan Buddha Museum
Suspension Bridge in Taiwan
Suspension Bridge in Taiwan
Suspension Bridge in Taiwan

Unsere Reise endet mit einem weiteren regenreichen Tag. Wir sind in Tainan angekommen, einer der ältesten Städte in Taiwan und ehemalige Hauptstadt. In Anping schlendern wir durch schmale Gassen. Einst hatte sich hier die Dutch East India Company niedergelassen. Noch heute dominiert das Fort Zeelandia das Stadtviertel. Alte Handelshäuser und Villen reicher Handeltreibender haben in seinem Schatten die Jahrhunderte überstanden. Abseits des nördlichen Damms erstreckt sich ein Nationalpark mit Flüssen, Teichen und Mangrovenlandschaften. Mücken surren in der Luft. Ein zugewucherter Bunker trotzt dem Wetter.

Graves in Anping, Tainan
Fort Provintia, Tainan
Anping Kaitai Tianhou Temple, Tainan

Auch in der Innenstadt Tainans liegt eine weitere niederländische Festung – Fort Provintia – umgeben von taoistischen Tempeln. Einer dieser Tempel ist der chinesischen Seegöttin Mazu geweiht. Zu Yue Laos Altar, in einer abgelegenen Kammer des Tempelkomplexes, pilgern all die nach Liebe und Seelenverwandtschaft Suchenden. Wir verstehen nichts von den Ritualen, der Symbolik oder den in der Vergangenheit liegenden Sagen. Wir sehen nur die Gläubigen, die sich hier hoffnungsvoll versammeln, die großen Fragen des Lebens im Kopf: Gesundheit, Reichtum, Liebe. Die menschliche Existenz lässt sich wohl auf das Streben nach diesen drei Begriffen herunterbrechen. 

Tainan Grand Mazu Temple
Tainan Grand Mazu Temple
Tainan Grand Mazu Temple
Tainan Grand Mazu Temple
Tainan Grand Mazu Temple

Es dämmert. Noch ist der Himmel klar, aber in wenigen Minuten werden dicke Tropfen auf uns herab prasseln. Werbeschilder und Lampions leuchten uns den Weg. Ein kurzer Abstecher in die Snail Alley, ein Blick in den historischen Hayashi Department Store. 

Etwas später starren wir hinaus auf die Pfützen und den Regen. Die Nacht kommt schnell in Taiwan. Auf Holzschemeln sitzend schlürfen müde Gesichter Nudelsuppe. Fernsehbildschirme zeigen bunte Werbespots. Ventilatoren drehen sich unermüdlich. Taiwan, das ist ein asiatischer Mikrokosmos. So viel Kultur auf engstem Raum. 

Street in Tainan
Tainan Art Museum Building 2
Street in Tainan
Dinner in a Noodle Shop in Tainan

In zwei Wochen einmal um den Inselstaat Taiwan. Das Wetter hat nicht immer mitgespielt. Dafür haben uns die Weltoffenheit der Taiwanesen und ihre angenehme, freundliche und einladende Kultur umso mehr überrascht. Als wir unseren Mietwagen am Flughafen abgeben, informiert uns der Angestellte am Schalter, dass die Maut aller Autobahnfahrten bereits von unserer Kreditkarte abgebucht worden sei. Strafzettel hätten wir keine zu begleichen. Welch wahnsinnige Effizienz, mit der solcherart Verkehrsdaten in Windeseile zur Verfügung gestellt werden. 

In der stickigen Abflughalle erinnern wir uns an die nebligen Hügel im Hinterland, die geschwungene Brücke an der Sanxiantai-Insel, das wolkenverhangene Taipei 101, den beißenden Rauch der Tempel, die menschenvollen Nachtmärkte, die tropisch-würzige Luft von Kenting. Taiwan, wir werden wiederkommen.

Infos zu unserer Reise