Seychellen

Das Paradies ist kein himmlischer Ort. Es ist auf dieser Erde zu finden, am Rande des Indischen Ozeans. Verteilt auf etwa 115 Inseln, geschaffen aus Korallen und Granit: die Seychellen.

Die Hauptstadt Victoria auf der Hauptinsel Mahé gilt als eine der kleinsten der Welt. Meistens geht es hier ruhig zu. Im Hafen liegen Segelyachten und bunte Fischerboote in türkisfarbenem Wasser vor Anker. Im Mittagswind rauschen die Palmenblätter, während die Imbissbuden gerade für die erste Kundschaft des Tages öffnen. 

Boote im Hafen von Victoria

Eine Uhr zum Gedenken an die englische Königin Victoria. Eine Kirche als Reminiszenz an den französischen Kolonialstil. Ein hinduistischer Tempel für Ganesha. Die moderne Weltgeschichte der Globalisierung, zusammengefasst in einer Stadt. Afrikanische Sklaven, europäische Kolonialisten und asiatische Zugewanderte haben sich im Laufe der Jahrhunderte vermischt. Menschen aller Hautfarben leben nun hier zusammen.

Clocktower in Victoria
Cathédrale de l’Immaculée-Conception de Victoria
Arul Mihu Navasakthi Vinayagar Temple
Arul Mihu Navasakthi Vinayagar Temple
Arul Mihu Navasakthi Vinayagar Temple

Um die Fischstände stolzieren weiße Reiher. Zwischen Gewürzen und Mangos sitzen Verkäuferinnen, plaudern über die Stände hinweg mit ihrer Kundschaft. Der Sir Selwyn Selwyn-Clarke Markt ist der wichtigste Einkaufsmarkt für Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse auf der Insel.

Trotz eines auch verglichen mit Europa relativ guten Lebensstandards kämpfen die Einwohner der Seychellen mit den hohen Lebensmittelpreisen. Alles, was nicht hier angebaut wird, muss teuer mit Flugzeugen oder Schiffen auf die Inseln gebracht werden. Der Besuch eines Restaurants ist für die Seychellois kaum bezahlbar – auch wir haben auf diesen „Luxus“ verzichtet. Wer die Möglichkeit hat, fischt selbst und baut sein eigenes Gemüse und Obst im Garten an.

Der wahre Schatz der Inseln liegt abseits der Zivilisation. Es ist die Natur, der Dschungel mit all seinen einzigartigen Geschöpfen und einer überquellenden Vegetation.

Wir sind dankbar, hier sein zu können: dieses Grün, diese würzige Luft, dieses Rauschen der Wellen und Palmenblätter zu erleben. Doch unsere Anreise hat Unmengen an CO₂ ausgestoßen, wir produzieren Müll und verbrauchen Wasser und Energie. Das unauflösbare Paradoxon des Touristen wird hier besonders deutlich: Der Tourist kommt, um zu sehen. Dabei zerstört er, was er sehen will. Oder nach Hans Magnus Enzensberger: „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.“

Grüner Dschungel auf Mahé
Coco de Mer auf Mahé
Grand Anse Cascade auf Mahé
Dichter Dschungel auf Mahé

Satte Üppigkeit, sprudelndes Leben überall. Warmer Regen lässt den Dschungel wuchern. Am Wegesrand wachsen Vanille, Muskat und Pfeffer. Mangos, Kokosnüsse, Papayas und Bananen. Seidenspinnen haben ihre goldenen Netze zwischen den Bäumen gespannt. In der Dämmerung ziehen Flughunde ihre Kreise um den Gipfel des Morne Seychellois.

Endemische Wunder: orangefarbene Singvögel, Riesenschildkröten und die einmalige Coco de Mer. Eine Insel, zu schön, um sie zu betreten. Zu schön, um sie niemals zu bewundern.

Schnecke auf den Seychellen
Salamander auf Mahé
Riesenschildkröten auf Mahé
Vogel auf Mahé
Vogel auf Mahé
Flughunde am Gipfel des Morne Seychellois

An keiner Stelle ist der Dschungel so dicht, als dass man nicht das Meer hören oder sehen könnte. Wo sich makellos goldener Sand mit dem türkisblauen Ozean vereint, muss das Paradies liegen.

Zwischen einsamem Idyll und friedlicher Leere liegen Luxusressorts mit unter Palmen versteckten Bungalows. Abends gibt es Barbecue am Strand von Beau Vallon: Oktopus und Barrakuda. Geröstete Brotfrucht und Curry. Im Hintergrund hämmern die Bässe von übersteuerten Musikanlage der Autos der Einheimischen.

Kirche am Meer, Mahé
Der Weg zum Strand
Petite Police Beach
Blick auf die Ostküste von Mahé
Police Beach, Mahé

Als der Urkontinent Gondwana zerbrach und Afrika und Indien auseinanderdrifteten, entstanden die Seychellen als massive Granitformationen. Splitter, Landreste der beiden riesigen Kontinente. 

Die Felsformationen entlang der Küste und im Landesinneren zeugen von diesem Ursprung. Kein Gott, sondern reine Naturgewalt, hat dieses Paradies erschaffen.

Ein Gewitter am Nachmittag reinigt den Himmel, spült Staub und Schweiß von den Körpern. Die Sonnenuntergänge machen wehmütig. Jeder Tag bringt einen anderen Abendhimmel. Wolkenberge und kleine Schäfchenwolken, getaucht in die Farben der seychellischen Flagge.

Boot an der Ostküste der Seychellen
Sonnenuntergang an der Nordseite von Mahé
Sonnenuntergang am Morne Seychellois

Wir haben von der Brotfrucht gegessen, also werden wir eines Tages zurück auf die Seychellen kommen – so sagt man hier. Das ist ein tröstlicher Gedanke, denn einen schöneren Ort wie diesen werden wir vielleicht nicht mehr finden. Kaum ein anderer Strand wird sich mit diesen messen können.

Eine Reise zu den Seychellen bedeutet allerdings: zerstören, was man findet. Der Klimawandel vernichtet die einzigartige Unterwasserwelt vor den Inseln, lässt den Meeresspiegel steigen und bedroht die Fischerei – eine der wichtigsten Einnahmequellen vieler Seychellois. Die Ressourcenverschwendung – insbesondere der Luxusressorts und Privatflüge – ist enorm. Allein für den Hin- und Rückflug auf die Seychellen müssten 160 Bäume heranwachsen, um das emittierte CO2 zu kompensieren. 

Gleichzeitig bleibt der Tourismus wichtigster Wirtschaftssektor des Inselstaates. Lässt sich dieses Paradoxon auflösen?

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