Montenegro

Bevor wir aufbrachen zu einem Roadtrip durch die Balkanstaaten, hätten wir Montenegro kaum auf der Landkarte verorten können. Natürlich wussten wir, dass es ein Land irgendwo zwischen Österreich und Griechenland ist, doch wir hatten keine Vorstellungen von diesem Land. Gibt es dort Seen? Berge? Strände? Wie sind die Menschen, wie ist die Natur? Kurzum: Wir reisten ohne Erwartungen ein und erlebten eine Überraschung, die uns so bislang kaum ein anderes Land beschert hatte. Denn Montenegro hat alles: atemberaubende Berglandschaften, mitunter die schönsten Städte an der Mittelmeerküste, idyllische Badestellen und glasklare Seen. All das auf einer Fläche, die kaum größer als die des Kosovos ist. 

Bridge in Podgorica

Schon in Bosnien und Herzegowina werden die Straßen schmaler und schlechter, je näher wir der montenegrinischen Grenze kommen. In engen Kurven fahren wir weiter hinauf bis zur Grenzkontrolle. Dahinter folgen wir der Straße durch ein tiefes Tal. Plötzlich liegt die Mratinje-Talsperre vor uns, dahinter der Piva-See. Sein Wasser schimmert türkisblau, steil fallen die Abhänge der umliegenden Berge zum Wasser hinab. Wir erkennen einen alten Pfad, der in den Fels gehauen ist, eine zerfallene Behausung und ein altes Kraftwerkshäuschen, schon lange nicht mehr in Betrieb.

Durch Tunnel und weitere Windungen führt uns der Weg in das Dorf Plužine, wo wir unter Birnenbäumen ein Nachtquartier finden. Zwei deutsche Overlander gesellen sich zu uns. Wir stoßen mit selbstgebrautem Schnaps auf die vor uns liegenden Abenteuer an.

Piva Lake
Piva Lake
Piva Lake

Etwas planlos starten wir in den Tag. Statt der gut ausgebauten Hauptstraße weiter bis nach Plav zu folgen, entscheiden wir uns für einen Abstecher in den Dumitor Nationalpark. In zahlreichen Haarnadelkurven und durch düstere, enge Tunnel im nackten Fels klettert unser Auto höher und höher. Die tannengrünen Berghänge werden spärlicher und karger, sie weichen einer braunen Steppenlandschaft. Sie wird schroffer und steiniger, desto höher wir kommen. Vereinzelte Hütten stehen am Wegesrand, eine alte Kirche wie aus einem Italo-Western. Heuhaufen und kleine Felder mit Salat und Gurken. 

Plötzlich liegt die Landschaft vor uns in ihrer gesamten Schönheit und Weite. Ein Schäfer zieht mit seiner Schafherde durch ein flaches Tal. Alles wirkt surreal, so als befänden wir uns auf einem anderen Planeten. Damit haben wir nicht gerechnet. Die Schafe ziehen vorüber und nur der Wind pfeift in unseren Ohren. Die Stille ist nahezu perfekt. Kurzentschlossen holen wir unsere Campingstühle aus dem Auto und genießen schweigend den Anblick dieser Naturgewalt. Dieser Moment wird das Highlight unserer Balkanreise bleiben.

Nationalpark Durmitor
Nationalpark Durmitor
Nationalpark Durmitor
Nationalpark Durmitor
Nationalpark Durmitor

Wir haben auf einem ruhigen Acker in der Nähe von Plav kampiert. Nun brechen wir auf in die Hauptstadt Podgorica. Mit nur 150.000 Einwohnern eine eher kleine Hauptstadt. Genau so präsentiert sie sich uns an diesem heißen Sommermittag. Kaum Autos auf den Straßen und selbst das Stadtzentrum ist menschenleer. 

Wir folgen einem ausgetrockneten Bach durch einen kleinen Park, essen Pizza in einer Nebengasse und schlendern an kommunistischen Wohnblöcken und Denkmälern vorüber. Während viele andere Städte in den umliegenden Ländern ihren jugoslawischen Charme abgeschüttelt haben, ist Podgorica noch lange nicht davon befreit – erst 2006 ist Montenegro aus dem Staatenbund mit Serbien und dem Kosovo ausgetreten. Hier und da sind zaghaft Stahlbeton-Bauten mit viel Glas aus dem Boden gesprossen. Die Millenium-Brücke ist eines der Wahrzeichen des Landes, die für die Zukunft und den Aufschwung stehen. Sie verbindet das Alte mit dem Neuen, zeigt auf das neue Jahrtausend, auf eine neue Geschichtsschreibung und ein stetes Vorwärts. Hundert Meter weiter hat Russland der Stadt eine Stahlbrücke – die Moskauer Brücke – spendiert. Ein Zeichen für die gute Beziehung der beiden Länder. Vor allem aber ein Zeichen an den Westen: Montenegro gehört zu uns.

Podgorica
Bridge in Podgorica
Main Square in Podgorica

An der Küste von Montenegro reihen sich die sehenswerten Städte wie Perlen auf einer Schnur. Im Grunde sind sie alle einen Stopp wert: Da ist Budva mit seinen Partys und vollen Stränden. Das beschauliche Kotor, ein Kulturzentrum mit wunderschöner Altstadt, gelegen an der gleichnamigen, azurblauen Bucht. Die Insel Sveti Stefan und die vielen kleinen Urlaubsorte gegenüber von Kotor mit ihren Fischerbooten, Cafés und Badestellen.  

Wir lassen uns entlang der Küste treiben und genießen die Atmosphäre. Wer Urlaub in Montenegro macht, kommt hierher und natürlich sind die Gassen und Strände voller Touristen. Dennoch ist es leicht, ihnen aus dem Weg zu gehen. Alles ballt sich um die Sehenswürdigkeiten und die wenigen Sandstrände. Was nicht in den Reiseführern und Blogs steht, wird zum einsamen Geheimtipp. Bevor am nächsten Morgen die Kreuzfahrtschiffe kommen, sind wir schon wieder weg.

Kotor in Montenegro
Kotor in Montenegro
Kotor in Montenegro
Kotor in Montenegro
Herceg Novi

An unserem letzten Tag in Montenegro fahren wir an den Skadarsko-See an der albanischen Grenze. Enge und kurvenreiche Straßen schlängeln sich um den See. Wir biegen ab auf eine steil hinabführende Stichstraße, die uns direkt an einen Kiesstrand führt. Ein kleines Camp, eine ruhige Bar und ein Bootsverleih. Wir bauen unser Nachtlager auf, dann springen wir in das erfrischende Nass des Sees. Das klare Süßwasser kühlt unsere Haut. Wir lassen uns treiben, schwimmen zu einer vorgelagerten Insel. Am Ufer bleibt ein Fahrzeug stecken, ein Geländewagen eilt herbei und zieht es raus. Unser Montenegro-Abenteuer nimmt hier sein Ende.

Murici Campsite

Uns so verlassen wir das kleine Land am Balkan. So viel Atemberaubendes auf so kleiner Fläche. Ohne Erwartungen sind wir eingereist, immer wieder hat uns Montenegro verblüfft und in Erstaunen versetzt. Wenn wir nun an Montenegro denken, sehen wir die kargen Felsnadeln des Dumitors vor uns. Wir spüren das Wasser des Skadarsko-Sees und schmecken die salzige Luft Kotors. Kaum ein so kleines Land kann so viel bieten: Berge, Seen, Kultur, Städte, Partys, Meer und Strand. Montenegro ist ein auf die schönsten Seiten zusammengeschrumpftes Balkanerlebnis. 

Infos zu unserer Reise