Frankreich

Mit Gewissheit ist Frankreich eines der schönsten Länder Europas. Seit Jahrhunderten eine Brutstätte von Kultur, Revolution, Philosophie und Lebensfreude. Eine Sprache, die klingt wie Balsam, zugleich schroff und hart sein kann. Ein Land, das an Vielfalt kaum zu übertreffen ist. Eine Hauptstadt, die ihresgleichen sucht. Frankreich ist eine Sommerromanze. Ein staubiger Tag in der Provence. Ein Sonnenstrahl, der auf Lavendelblüten fällt. Frankreich ist der salzige Duft des Meeres an der zerklüfteten Atlantikküste und die von Pinienbäumen süß-geschwängerte Luft der Côte d’Azur. Palast des Sonnenkönigs, zukunftsweisendes Stahlskelett, von den Schatten der Jahrhunderte heimgesuchte Schlachtfelder. Frankreich ist eine Reise in das Gestern, wie es war. Und in das diffuse Morgen, wie es sein könnte. 

Abandoned Manor House in Alsace

Von Luxemburg aus fahren wir nach Metz. Die Landschaft ist flach und industriell, hat wenige Reize zu bieten. Ein Kreisel reiht sich an den nächsten und die Landstraße führt vorbei an Industriehallen. Auch Metz zeigt sich unaufgeregt. In einer Bar an der Mosel spielt eine Jazzband. Das neugestaltete Stadtzentrum zieren Blumenkübel. Ein paar Palmen verbreiten mediterranen Flair, obwohl wir uns im Herzen Lothringens befinden. Die Kathedrale von Metz gleicht einer Festung. Dick und stark ragen ihre Mauern vor uns empor. Einem hohen Kasten gleich erhebt sie sich zwischen niedrigen Häusern und engen Gassen. Nur wenig Licht lässt sie in ihr Inneres. Ihre Hallen sind hoch und düster.

Cathedrale of Metz

Noch am selben Tag fahren wir weiter nach Nancy. Wir beziehen unser Airbnb, eine wunderbare 1-Zimmer-Wohnung mit knarzendem Dielenboden und einem leckeren Frühstück aus frisch gepresstem Saft und warmen Schokoladencroissants. Am frühen Abend ziehen wir los Richtung Innenstadt. Wir folgen einem Strom von Menschen und betreten den Place Stanislas, als gerade die Sonne untergeht und das goldene Tageslicht immer blauer scheint. All die Lichter, die hier funkeln und leuchten, schimmern wie reines Gold. Die Wolken über uns sind die niemals endenden Wellen eines Ozeans, der über uns hereinbrechen oder uns in den Schlaf lullen könnte. Wir sind sprachlos in Anbetracht dieses Ensembles, lassen uns zu Füßen der Statue Stanislas, einst Herzog von Lothringen und polnischer König, nieder.

Am nächsten Morgen besuchen wir erneut den Platz. Die Magie des Vorabends ist gänzlich verschwunden. So ziehen wir weiter durch den weitläufigen Park, einem Nebenarm der Mosel entlang und vorbei an Prachtstraßen und Kirchen.

Basilika Saint-Epvre in Nancy
Cathedrale of Metz
Place Stanislas in Nancy
Place Stanislas in Nancy
Place Stanislas in Nancy

In Nancy haben wir gelernt, dass manche Orte zur richtigen Zeit und im richtigen Licht eine gewisse Magie entwickeln, die sie einzigartig werden lässt und den Augenblick unvergesslich macht. Von Nancy fahren wir nach Kaysersberg über die Vogesen. Die Wolken hängen tief und als wir – umgeben von dunkelgrünen Bäumen – einen Höhengrat passieren, hüllen uns Regen und dichter Nebel ein. Wir halten an einer kleinen Bäckerei, um am späten Nachmittag einen heißen Kaffee und etwas hart gewordenes Gebäck zu ergattern. Während wir essen, starren wir hinaus in die nass-graue Märchenwelt.

Die Landschaft rund um Kaysersberg wird von Weinbergen dominiert. Die kleinen Orte sind von Flüsschen und schmalen, mittelalterlichen Gassen durchzogen. Eine Burgruine schmiegt sich an den Hang, schmale Feld- und Wanderwege bilden ein feines Geflecht zwischen den Weinstöcken. Das Wetter ist kaum besser als am Vortag – ein feiner Sprühregen bedeckt unsere Haut. Immer wieder brechen Sonnenstrahlen durch den Himmel.

Grapevines near Kaysersberg
Grapevines near Kaysersberg
Little Alley in Colmar

Auch Colmar besticht mit kleinen Kanälen, blumengesäumten Straßen und einer modernen Fußgängerzone. Bunte Fachwerkhäuser am Wasser, eingerahmt von Petunien und Sommerflieder, bieten Postkartenmotive. Restaurants locken mit lokalen Weinen und saisonaler Küche. Die Flüsse Lauch und Ill fließen durch Colmar, bilden ein verzweigtes Flusssystem. Klein-Venedig wird ein Viertel genannt, sogar Gondolieri rudern Touristen auf kleinen Booten über das Wasser. Auf einem Verkehrskreisel neben dem Flughafen steht eine Freiheitsstaue – eine genaue Kopie der größeren Statue of Liberty in New York. Der Bildhauer Frédéric Auguste Batholdi war in Colmar geboren. Zu seinen Ehren wurde diese Replik errichtet. 

Kaysersberg
Statue de la Liberté in Colmar
Canal in Colmar

Wir halten an der Hohkönigsburg, um ein letztes Mal die Aussicht auf die Hügellandschaft des Elsass und seine wallenden Weinberge zu genießen. Nun, Ende August, tragen die Reben bald schon erntereife Trauben. Bislang hat sich an keinem einzigen Tag blauer Himmel gezeigt, immer schweben graue Wolken dicht über unseren Köpfen. Mal begleitet sie seichter Nebel, mal Regen in unterschiedlicher Intensität. Der Corona-Sommer 2020 bringt wenig Gutes, auch der Blick nach vorne ist getrübt.

Château du Haut-Kœnigsbourg

Nach kurzer Fahrt gelangen wir an den letzten Halt unseres Roadtrips: Straßburg. Gelegen an der deutsch-französischen Grenze, durchzogen vom Flusssystem des Ill, östlich begrenzt durch den mächtigen Rhein, hat diese Stadt Jahrtausende an Kultur und Zivilisation erfahren. Gallier siedelten hier, Römer schufen eine militärische Befestigung. Im Mittelalter galt Straßburg als wichtiger Handelspunkt. Der Buchdruck, die Reformation, Pest und Kriege und Eroberungen und Frieden und wieder Kriege prägten das Antlitz und machten die Stadt zu dem, was sie heute ist: ein kulturelles, europäisches, wirtschaftliches und universitäres Zentrum zwischen Frankreich und Europa, nur einen Steinwurf weit entfernt von den Beneluxstaaten und der Schweiz.

Musée Archéologique de Strasbourg
Cathédrale Notre Dame de Strasbourg
Cathédrale Notre Dame de Strasbourg
Cathédrale Notre Dame de Strasbourg
Canal in Strasbourg

Besuch im Europäischen Parlament. Nur wenige Besucher sind mit uns hier – es herrscht andächtige Ruhe. Den Innenhof des Parlaments haben wir für uns allein. Wir folgen dem Rundgang vorbei an Kunstinstallationen, Infografiken und Skulpturen. Von einer Besuchertribüne spähen wir in den riesigen Plenarsaal. Ein paar kleinere Renovierungsarbeiten werden durchgeführt. Mikrofone werden ausgetauscht, der Teppich wird stellenweise erneuert. Leere Sitze, 27 Flaggen, die im windstillen Raum herabhängen. Die verspiegelten Scheiben der Übersetzer-Kabinen. Sterne auf blauem Grund. Dies ist der Motor Europas.

Strasbourg EU-Parliament
Strasbourg EU-Parliament
Strasbourg EU-Parliament

Am Abend gibt es Flammkuchen und Grauburgunder in einer kleinen Wirtschaft am Trottoir. Touristen und Studenten ziehen durch die Innenstadt. Gruppen von Schülern und Jugendlichen. Es wird dunkel und wir überqueren die Ill. Bunte Lichter erleuchten eine alte Staumauer. Enten schlafen am Ufer und aus einer nahegelegenen Bar dringt Musik. Am nächsten Tag verlassen wir Straßburg auf einer einsamen Autobahn Richtung Deutschland. Hinter der Grenze wird sie zu einer Bundesstraße. Es herrscht nicht viel Verkehr – am Fenster ziehen Nadelbäume vorbei. Nach einer Woche Regen scheint endlich die Sonne.

Infos zu unserer Reise