Kanchanaburi
Wer dem kleinen Fluss Khwae Noi folgt, gelangt von der Stadt in den Dschungel. Immer wieder kreuzen die Gleise der Todeseisenbahn den Weg. Ein heftiger Regenschauer fegt die Straßen leer. Es geht bergauf, immer tiefer in das Herz der Provinz, vorbei an Wasserfällen, Seen und historischen Stätten. Kanchanaburi ist eine wunderschöne, fast schon verwunschene Provinz.
Der Boden bebt, als der Zug in den Bahnhof rumpelt. Er spuckt mit großen Rucksäcken beladene Touristen aus, ebenso viele steigen wieder ein für die Weiterfahrt gen Nordwesten. Fahneschwenken, ein lauter Pfiff, dann rollt das Ungetüm an. Langsam verschwindet der Zug hinter der nächsten Kurve. Ein alter Mönch bleibt auf einer Wartebank zurück. Der Markt vor dem Bahnhof ist am heißen Nachmittag kaum besucht.
Ein paar Meter weiter betreten wir durch ein steinernes Tor den Friedhof. In fast 7.000 Gräbern liegen hier die Kriegsgefangenen, die beim Bau der Birma-Eisenbahnstrecke im Zweiten Weltkrieg ums Leben kamen – nur ein Bruchteil der Opfer der japanischen Todeswut. Ein manisches Projekt – eine Verbindung zwischen Thailand und seinem Nachbarland Birma zu schaffen. Geradewegs durch hunderte Kilometer malariaverseuchten Urwald und unnachgiebigen Granit.
Die River Kwai Road ist eine Straße voller Restaurants und Hotels. Hier steigen die Reisenden ab, die mit der Todeseisenbahn fahren. Wer der Straße folgt, gelangt zu einem überfüllten Platz. Eine Stahlbrücke spannt sich über den Fluss. Obwohl diese nach dem Zweiten Weltkrieg fast vollständig neu errichtet wurde, steht sie dennoch für den Schrecken des Krieges und all seine Grausamkeiten.
Doch Schrecken und Grausamkeit treten schnell zurück hinter neuen Ideen und neuen Zeiten. Ein chinesischer Tempel erhebt sich am Ufer. Zwei Jungs verdienen sich ein paar Baht mit Gitarrensongs. Restaurants am Wasser servieren Seafood und Backpacker posieren vor der Brücke. Wer kann sich schwere Artillerie, Bombenexplosionen und ausgehungerte Gefangene an diesem Ort vorstellen?
Breite Alleen führen nach Nam Tok. Auf der einen Seite der Stadt liegt der verschlafene End-Bahnhof. In einfachen Häusern und beschaulichen Gassen wohnen Thais. Auf der anderen Seite der Stadt, zum Fluss hin, liegen Hotels direkt am Wasser. Auch wir steigen für ein paar Tage hier ab, obwohl die Stadt nicht allzu viel zu bieten hat. Dennoch ist es ein idyllischer Ort. Wir lassen im Sonnenuntergang die Füße im Fluss baumeln, das Wasser ist klar und kalt. Ein Schwarm Vögel wird aufgeschreckt durch einen Fischer, der sein Wurfnetz gekonnt ins Wasser befördert. Auf der anderen Uferseite entsteht ein neues Hotel – Bagger haben die Böschung umgegraben und die rote Erde freigelegt.
Unweit vom Städtchen Nam Tok liegt die Tham Krasae Brücke mit gleichnamiger Höhle. Ein beliebtes Ausflugsziel für ausländische und thailändische Touristen. Und wo Touristen sind, sind auch Shops, Restaurants und Straßenverkäufer. Als wir aus dem Auto steigen, kommt ein Bus mit internationaler Reisegruppe an. Doch die Verkäufer bleiben im Schatten der Bäume hinter ihren Ständen liegen. Der Strom ist ausgefallen – also kein Kaffee, keine kalten Getränke. Zusammen mit der Reisegruppe folgen wir den Gleisen. In der Höhle steht im fahlen Licht eine Buddhastatue. Ein schmaler Durchgang führt tiefer hinab. Mit Taschenlampen versuchen wir abzuschätzen, wie weit es ins Innere der Höhle geht. Wir sehen kein Ende. Also wieder hinaus ins Tageslicht.
Genau nach Fahrplan hören wir ein Hupen. Die Gleise vibrieren und das Blattwerk der Bäume raschelt. Der Zug kommt hinter der Kurve hervor. Gemächlich rollt er an uns und anderen Schaulustigen vorbei. Wir winken und die Passagiere winken zurück. Fröhliche Gelassenheit. Über uns ein blauer Himmel, unter uns der Khwae Noi. Viele Unschuldige gaben ihr Leben, um diese Gleise zu verlegen. Einst transportierten die Züge Versorgungsgüter und Waffen vom japanisch besetzten Thailand nach Birma. Heute sind es zufriedene Abenteuersucher und Selfiestick schwenkende Rucksackreisende.
Der Bambus wächst dicht. Schmetterlinge tanzen in der Luft. Große Wolkenformationen ziehen über einen endlosen Himmel. Am Horizont erheben sich Hügelketten wie Wälle – dahinter liegt Myanmar. Dichter Dschungel erstreckt sich bis dorthin.
Wir laufen durch die schmale Schlucht des Hellfire Pass. Zu den Seiten ragt über zwanzig Meter hoch der Granit auf, durch den sich damals die Menschen mit einfachsten Werkzeugen graben mussten. Spuren im Stein und ein abgebrochener Bohrer lassen die Vergangenheit lebendig werden. Ein kalter Schauer überfällt uns, als wir am Ende der Schlucht ein Denkmal erreichen. Die Fahnen der Nationen, deren Männer als Sklaven auf der Todeseisenbahn starben, werden von einer Windböe ergriffen. Die Wolkenformationen schieben sich vor die Sonne. Plötzlich fällt Regen. Erst suchen wir Schutz unter einer dichten Palme, doch als der Regen zu einem wahren Monsum wird, rennen wir zurück zu unserem Auto.
Immer tiefer gelangen wir in die Provinz. Der Dschungel um uns herum wird dichter, die Straßen schmaler. Ausländische Touristen kommen nur selten so weit. An den Kroeng Krawia Wasserfällen sind wir die Einzigen. Im Gegensatz zu den überlaufenen Erawan Fällen, ist es hier ruhiger und idyllischer. Wir folgen einem kurzen Pfad dem Wasser entlang. Immer wieder sehen wir Müll: Zigarettenpäckchen, Coladosen, Plastiktüten. Sollte es die Menschheit in 1.000 Jahren noch geben wird sie spätestens dann an ihrem eigenen Unrat ersticken.
Umso näher wir der Grenze zu Myanmar kommen, umso häufiger werden die Sicherheitskontrollen. Die Letzte ist besonders gründlich; immer wieder kommt es zu Kämpfen und kriegerischen Handlungen auf Myanmar-Seite. Dann ist sie da – die Grenze. Und mit ihr der Drei-Pagoden-Pass. Im Tenasserim-Gebirge ist der Pass eine der wenigen Querungsmöglichkeit. Ein Tor zu Thailand. Es heißt, einst gelangte der Buddhismus von Indien nach Thailand über den Drei-Pagoden-Pass. Als Ayutthaya eine mächtige Hauptstadt war, nutzten birmanische Truppen den Pass, um ins Königreich Siam vorzurücken. Schließlich führte auch die Eisenbahnstrecke der Japaner von Thailand nach Birma über diesen Pass.
Kurz bevor es Dunkel wird fahren wir in Sangkhlaburi ein. Über dem künstlichen Stausee dämmert es. Wetterleuchten über einer gigantischen Buddhastatue. Götterdämmerung.
Als der Damm errichtet wurde und sich das Wasser dahinter staute, überflutete es Dörfer und Tempel. Wenn der Pegel niedrig steht, ragen die Spitzen der Tempel aus dem Wasser hervor.
Noch vor dem Sonnenaufgang erwacht Sangkhlaburi. In traditionelle Kleidung der Mon gehüllt und im Gesicht mit Thanaka bemalt strömen die Touristen zur hölzernen Brücke. Sie verbindet das Städtchen Sangkhlaburi auf der einen und ein Dorf der Mon auf der anderen Seite. In einer langen Reihe stellen sich Einheimische und Touristen auf. Mönche ziehen vorrüber und nehmen Spenden entgegen. Reis, Duschgel, eine Zahnbürste, etwas Geld oder eine Schachtel Kekse. Dinge des täglichen Gebrauchs. Als die Mönche vorbeigezogen sind, räumt eine Frau Tische und Stühle weg, die eben noch mit den Spenden beladen waren. Die Sonne steigt höher und die Straßen leeren sich als hätte das morgendliche, aufgeregte Treiben nie stattgefunden.
Nach einem einfachen Frühstück bei unserer thailändischen Gastgeberin wollen wir den gigantischen Buddha auf der Mon-Seite der Stadt erkunden. Wir parken unser Auto an einem schlichten und alten Kloster. Die Mönche haben ihre Gewänder zum Trocknen rausgehängt. Dann folgen wir einer neuen, schmalen Straße.
Im Wasser eines Sees spiegelt sich der goldbemalte Buddha. Es ist heiß geworden. Im Schatten eines Baumes fegt ein alter Mann Blätter vom Asphalt. Er lässt sich Zeit, trinkt einen Schluck, dann setzt er sich und raucht.
Wir sind auf der Suche nach immer neuen Orten, angetrieben von einer inneren Unruhe. Immer mehr und neue Orte brauchen wir, um glücklich zu sein. Während wir der steiler ansteigenden Straße in der Mittagshitze folgen, verbringt der alte Mann seine Tage im Schatten der heiligen Statue. Seine Aufgabe ist eine niemals endende, denn solange hier Bäume wachsen, werden Blätter herabfallen. Sein Leben scheint gemächlicher als das unsere.
An der Statue angekommen nickt uns ein Mönch zu, bevor er sich wieder einer Fernsehsendung zuwendet. Den Ausblick auf den See und das weite Tal genießen wir nur kurz; der goldene Budda reflektiert das Sonnenlicht und macht es unmöglich, ihm zu nahe zu kommen.
Es ist Zeit aufzubrechen. Doch bevor wir die Provinz Kanchanaburi verlassen, biegen wir von der Hauptstraße rechts ab, fahren über den Mae Klong, der vereinte Fluss des Khwae Noi und Khwae Yai, und schlängeln uns durch die schmalen Gässchen eines Dorfes. Auf einer Anhöhe vor uns erhebt sich plötzlich ein buntes Wirrwarr von Tempeln und Schreinen. Eine steile und lange Treppe führt hinauf zum Tiger Cave Tempel.
Umgeben von saftig grünen Reisfeldern sitzt Buddha in der Haltung des Vitarka Mudra. Sein Blick ist auf den mäandernden Fluss gerichtet. Neben ihm ragt der Turm eines chinesischen Tempels auf. Gebetsglocken ertönen. Thais knien nieder und sprechen ein Gebet. Ein zusammengefalteter Schein zur Spende. Die Buddhastatue soll damit restauriert werden.
Und dann verlassen wir Kanchanaburi. Einmal rauf und runter haben wir die Provinz bereist und glauben, längst nicht alles gesehen zu haben. Wir haben uns verliebt in die Flüsse und die Eisenbahn, in die wallenden Hügel und den grünen Dschungel. Das magische Sangkhlaburi hat uns verzaubert und der Morgen an der Mon-Brücke war einer der schönsten Thailanderfahrungen für uns.
Infos zu unserer Reise
Kanchanaburi ist einer unserer Lieblingsprovinzen in Thailand. Entlang der Eisenbahnstrecke findet ihr eine gute touristische Infrastruktur vor, also bis nach Nam Tok. Dahinter ist die Provinz dünner besiedelt, bergiger und ursprünglicher. Es lohnt sich auf jeden Fall bis nach Sangkhlaburi zu fahren und dort früh aufzustehen – für uns das Highlight der Reise. Die meisten Touristen reisen mit dem Zug von Bangkok zur Stadt Kanchanaburi oder bis nach Nam Tok. Das ist sicherlich eine sehr schöne Route, wir sind der Strecke allerdings mit dem Auto gefolgt, da wir unseren kleinen Mann dabei hatten und lieber Fotos vom als aus dem Zug machen wollten 😉
Nam Tok – die Endhaltestelle der Eisenbahnstrecke – hat nicht viel zu bieten außer schöner Resorts direkt am Wasser; perfekt geeignet, um sich nach ein paar Tagen Dschungel zu erholen und eine nette Abwechslung zu den üblichen Strandhotels. Allgemein lässt sich zu Kanchanaburi sagen: Wenn ihr Action und Abenteuer in der Natur wollt, ist Chiang Mai die bessere Destination für euch. Falls euch die Geschichte Thailands und Züge interessieren, dann seid ihr hier bestens aufgehoben!
Kanchanaburi ist recht günstig und es wird günstiger, umso nördlicher ihr fahrt.
Der Geschmack der Speisen in Kanchanaburi ist definitiv anders wie im übrigen Thailand. Es steht Kürbis auf der Speisekarte, auch Schnecken und überhaupt sind die Gewürze anders. Vielleicht lag es daran, dass wir keine guten Restaurants fanden, doch uns schmeckte das Thai-Essen in Kanchanaburi nicht. Dafür haben wir zwei Tipps für internationale Küche: In der Stadt Kanchanaburi betreibt ein Schweizer eine Pizzeria, die wirklich gutes Essen bietet. Großartige (!) vegane Küche (auch für nicht Veganer und Vegetarier) gibt es bei On’s Thai-Issan Vegan. Und in Sangkhlaburi gibt es mit Lee’s Kitchen ein richtig gutes koreanisches Restaurant, das wir euch wärmstens empfehlen.
In Kanchanaburi empfehlen wir das The Bridge Residence Hotel. Gut gelegen, sauber und mit Pool. Dazu ein großartiges Frühstück!
Plant ihr einen Stop in Nam Tok, habt ihr die Qual der Wahl. Die Auswahl an Hotels direkt am Fluss ist riesig. Wir blieben mehrere Nächte im Boutique Raft Resort und waren zufrieden. Das Personal ist sehr herzlich, doch die Zimmer könnten eine Renovierung gebrauchen, obgleich sie sauber waren. Auch das Essen im eigenen Restaurant schmeckte gut. Trotzdem zahlt ihr für eine Unterkunft am Wasser letztendlich mehr als ihr geboten bekommt.
Sangkhlaburi hat keine allzugroße Auswahl an Hotels. Stellt euch darauf ein, mit einer einfachen und sehr thailändischen Unterkunft vorliebzunehmen. Es gibt schwimmende Guesthouses auf dem Wasser oder ihr quatiert euch in der Stadt ein. Wir kamen in der Stadt bei Cheko unter. Die Zimmer sind sehr (!) einfach und die Frau im Haus spricht kein Wort Englisch. Trotzdem hatten wir einen netten Aufenthalt.
Bis Nam Tok ist Kanchanaburi eine sichere Provinz. Doch zahlreiche Polizeikontrollen im Norden deuten darauf hin, dass die Lage angespannt ist, insbesondere nachdem die Militärregierung in Myanmar 2020 erneut die Macht ergriffen hat. Immer wieder kommt es zu Gewalttaten am Drei-Pagoden-Passen, allerdings hauptsächlich auf Myanmar-Seite. Leider ist der Grenzübergang nicht mehr für Touristen geöffnet, der Drei-Pagoden-Pass ist also eine Sackgasse. Dennoch solltet ihr euch keine Sorgen machen, die Lage ist stabil und wir fühlten uns jederzeit sicher.
Achtet außerdem auf einen guten Mückenschutz. Kanchanaburi ist dünn besiedelt und gerade im Norden fast flächendeckend mit Dschungel bewachsen. Demnach ist die Prävalenz von Tropenkrankheiten – bspw. Malaria oder Dengue – hier erhöht.
Die thailändische Gesellschaft ist sehr offenherzig und vernarrt in Kinder. Nicht selten stand eine Traube von Thais (hauptsächlich Frauen) um unseren Jungen herum. Der Umgang der Thais ist ein anderer, wie wir ihn in Europa gewöhnt sind. Wir würden niemals zu einem fremden Kind gehen und es auf den Arm nehmen wollen. In Thailand passiert dies ständig – vorher wird nicht einmal gefragt. Stellt euch auch darauf ein, dass die Thais Fotos von euren Kindern machen werden – oft ungefragt. Da wird dann schnell das Smartphone gezückt und rasch ein Selfie mit dem blonden, kleinen Farang (Ausländer) gemacht. Überlegt euch, wie ihr dieser – aus unserer westlich geprägten Sicht – grenzüberschreitenden Verhaltensweise begegnen wollt. Nicht immer werder ihr sie verhindern können. Seid respektvoll und lächelt und gebt eurem Gegenüber zu verstehen, dass ihr ein wenig mehr Abstand möchtet. Gleichzeitig seid ihr mit Kindern überall noch willkommener und sehr häufig wurden wir bevorzugt behandelt (bspw. in Warteschlangen).
Erwartet allerdings nirgendwo extra Wickelräume – oft sind die Sanitäranlagen ohnehin in einem unzureichenden Zustand. Nehmt also Feuchttücher und Desinfektionsgel mit. Grundlegenden Babybedarf erhaltet ihr in jedem 7/11 oder Supermarkt. Windeln sind nicht ganz günstig und häufig nur in großen Packungen erhältlich. Den Kinderwagen/Baggy lasst ihr am besten zu Hause. In der Regel sind die Bürgersteige zu schlecht und gerade in Bangkok gibt es zu viele Füßgänger und Autos, sodass ihr damit keinen Spaß haben werdet. Am flexibelsten ist eine Trage.
Es gibt Touren zu allen touristischen Sehenswürdigkeiten in Kanchanaburi, die von Bangkok aus starten. Bis nach Nam Tok kommt ihr auch ganz einfach mit dem Zug – diese Art der Fortbewegung ist sogar am schönsten. Wollt ihr volle Flexibilität und bis nach Sangkhlaburi und zum Drei-Pagoden-Pass fahren, dann ist neben einer geführten Tour vielleicht auch ein eigener Mietwagen eine Option für euch.
- Als Einstieg – wenn auch alles andere als historisch korrekt – dient natürlich der berühmte Film Die Brücke am Kwai von 1957
- Auf der offiziellen Seite des Death Railway Museum findet ihr eine umfangreiche Liste mit Literatur zur Todeseisenbahn
- Eine sehr gute Einführung in Thailands Geschichte allgemein findet ihr in Thailand’s Political History: From the 13th Century to Recent Times von B. J. Terwiel